Ganze vier Wochen lang haben sich die 32 besten Fußball-Nationen in Brasilien im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Füße wund gekickt; nach 63 absolvieren Partien wird sich nun endlich im sonntäglichen Finale zwischen Deutschland und Argentinien entscheiden, welche Mannschaft sich für die zahllosen Anstrengungen der vergangenen Tage tatsächlich auch mit dem größtmöglichen Triumph belohnen kann. Wenngleich man dies am Zuckerhut vermutlich etwas anders sieht, hätte man sich für das Endspiel kaum eine spannungsvollere Begegnung wünschen können: Immerhin bietet der ewig junge Klassiker zwischen der Albiceleste und der DFB-Auswahl beiden Teams die Möglichkeit, endlich einen seit Jahrzehnten geöffneten Kreis zu schließen.
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*Ergebnis nach der regulären Spielzeit
Bleibt Argentinien in der Opferrolle?
Da man sich im legendären Maracana-Stadion bereits zum siebten Mal im Rahmen einer Weltmeisterschaft begegnet, ruft das bevorstehende Finale in den jeweiligen Lagern sowohl Momente des ganz großen Glücks als auch der tiefen sportlichen Enttäuschung in Erinnerung. Während sich die argentinische Mannschaft nun in Rio de Janeiro natürlich vor allem am 3:2-Finalsieg von 1986 orientieren möchte, hat sich in Deutschland verständlicherweise die geglückte Endspiel-Revanche aus dem Jahr 1990 deutlich stärker ins Gedächtnis eingebrannt, welcher den schwarz-rot-goldenen Farben bislang den letzten Sieg bei einer WM-Endrunde bescherte.
Das nunmehr schon dritte gegeneinander bestrittene Finale wird somit zumindest einer der beiden fußballverrückten Nationen das Ende einer mehr als zwei Jahrzehnten währenden Wartezeit bringen: Braucht es jedoch nicht gleich ein großes Endspiel zu sein, muss wenigstens auf deutscher Seite nicht annähernd so weit zurückgeblättert werden, um bei der einen oder anderen weltmeisterlichen Sternstunde zu landen. Immerhin hatte bereits der 4:0-Erfolg über die Albiceleste im Viertelfinale vor vier Jahren einen Sturmlauf vorweggenommen, den die DFB-Elf nun jüngst in Brasilien mit dem schon jetzt legendären 7:1-Triumph gegen den gastgebenden Rekordweltmeister zur Vollendung brachte – dagegen fiel der Sieg im Elfmeterschießen bei der Heim-WM 2006 deutlich glücklicher aus, was der Freude über den damaligen Einzug in die Vorschlussrunde aber natürlich dennoch keinen Abbruch tat.
Auch Sternstunden wollen verkraftet werden
Dass es sich die deutsche Mannschaft bei den letzten Turnieren zur Gewohnheit werden ließ, den Argentiniern stets aufs Neue das WM-Licht auszublasen, schanzt Jogis Jungs nun fraglos auch im bevorstehenden Endspiel die Rolle des Favoriten zu: Stärker noch als die zunehmend verblassende Vergangenheit, muss jedoch selbstverständlich der taufrische Auftritt im Halbfinale für einen glorreichen Abschluss der WM-Endrunde sprechen. Immerhin hätte schon allein der sagenhafte Sieg gegen die bedauernswerten Brasilianer einen eigenen Titel verdient gehabt – weil ein Ehrenpreis für rekordverdächtige Sturmläufe aber bislang nicht im WM-Regelwerk vorgesehen ist, wird sich die DFB-Elf nun ersatzweise mit dem eben so gern genommenen vierten Stern behelfen wollen.
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In jedem Falle war die Partie in Belo Horizonte derart außergewöhnlich verlaufen, dass es sogar vor einem Endspiel gar nicht so leicht erscheint, einfach so wieder zur Tagesordnung überzugehen: Denn selbst wenn man der Selecao aufgrund des Fehlens zweier entscheidender Leistungsträger einen ganz besonders schlechten Tag zugesteht, dürfte das Halbfinale, wenn schon nicht den besten Auftritt überhaupt, dann doch aber immerhin die furiosesten sechs Minuten der deutschen Fußballgeschichte zu sehen bekommen haben. Das Endresultat war letztlich derart markerschütternd, dass es auch die etwas weniger glanzvolleren Vorstellungen der vergangenen Wochen unweigerlich verschlingt: Mit der Partie, in der einfach alles passen wollte, wurden nun jedoch möglicherweise Erwartungen geweckt, denen die Spieler am Sonntagabend kaum noch einmal in vergleichbarer Weise gerecht werden können.
Folglich muss die deutsche Mannschaft nun der großen Versuchung widerstehen, im verständlichen Überschwang gleich auch noch die Argentinier platt walzen zu wollen: Immerhin scheint die Albiceleste mit Blick auf die bisherigen sechs WM-Auftritte am allerwenigsten dafür geeignet zu sein, zum Opfer eines Schützenfestes auserkoren zu werden. Nach der deutlich zu leichtgewichtigen Vorrundengruppe hat sich in den Alles-oder-Nichts-Spielen schließlich insbesondere die Defensive als Garant des Durchmarsches ins Finale erwiesen: Während es die Offensive offensichtlich nicht gefährlicher macht, dass die komplette Spielidee allein auf den Alleinunterhalter Lionel Messi zugeschnitten ist, ist die verlässliche Abwehr der Südamerikaner fraglos zu den ganz großen positiven Überraschungen der WM-Endrunde zu zählen.
Kommen die Weiß-Himmelblauen rechtzeitig zu Kräften?
Hatte sich die deutsche Viererkette gegen Ghana und Algerien schon zwei deutliche Ausreißer nach unten gestattet, wich das argentinische Pendant lediglich im bedeutungslosen letzten Gruppenspiel gegen Nigeria von der gewohnt verlässlichen Arbeitsweise ab: Da man selbst den etwas mutiger daherkommenden Gegnern kaum einmal einen Durchlass gewährte, sind die Argentinier der einzige WM-Teilnehmer, der in der laufenden Endrunde zu keinem Zeitpunkt im Rückstand lag. Nun liegt es auf der Hand, dass sich dies auch im Endspiel gegen die DFB-Auswahl nicht ändern soll – folglich wird das Team in Rio de Janeiro vermutlich einer eher zurückhaltenden Taktik den Vorzug geben.
Da die Albiceleste für klassische Abwehrschlachten dann aber doch nicht geschaffen ist, braucht die deutsche Mannschaft wohl dennoch keine Neuauflage des extrem mühsamen Achtelfinales gegen die Defensivkünstler aus Algerien zu befürchten: Denn selbst wenn der Respekt vor der Angriffsmaschinerie der Adlerträger bei den Argentiniern sicherlich gewaltig ist, müssen die Südamerikaner schon aus reinen Vernunftgründen auf eine möglichst frühe Vorentscheidung drängen. Immerhin standen Messi & Co. vor dem Endspiel nicht nur 24 Stunden weniger zur Regeneration zur Verfügung, auch der Sieg im Halbfinale hat dem “Außenseiter” deutlich mehr Arbeit gemacht – zeigen sich die deutschen Spieler also geduldig, dürfte ihnen im Finale jede verstreichende Minute das Leben ein kleines bisschen einfacher machen.